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Quelle:

Bundesfinanzhof
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 15.12.1999
Aktenzeichen: I R 29/97

Vorinstanz:

FG Hessen
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 02.12.1996
Aktenzeichen: 4 K 3180/94

Schlagzeile:

Kein Gestaltungsmissbrauch beim sog. Dividendenstripping

Schlagworte:

Aktie, Anrechnung, Beschränkte Steuerpflicht, Dividendenstripping, Gestaltungsmissbrauch, Kapitalertragsteuer, Körperschaftsteuer, Missbrauch

Wichtig für:

Kapitalanleger

Kurzkommentar:

Beim Dividendenstripping ist grundsätzlich kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO gegeben.

Die drei Leitsätze zur BFH-Entscheidung lauten:

1. Werden alte Aktien eines Emittenten cum Dividende veräußert, so erlangt der Erwerber auch dann wirtschaftliches Eigentum an diesen Aktien, wenn er am Tag des Erwerbs junge Aktien desselben Emittenten ex Dividende an den Veräußerer der alten Aktien verkauft. Gleiches gilt beim Ankauf von Aktien cum Dividende und beim anschließenden zeitnahen Rückverkauf gleicher oder gleichwertiger Aktien ex Dividende durch voneinander unabhängige Geschäfte.

2. Die sog. Börsenklausel in § 50c Abs. 8 Satz 2 EstG 1987/1990 a.F. ist einschränkungs- und vorbehaltlos. Sie erfasst deshalb nicht nur börsentypische (anonyme) Geschäfte, sondern auch solche, denen Individualvereinbarungen zugrunde liegen, die darauf abzielen, Kursrisiken durch Rückkaufsvereinbarungen zu einem festgelegten Rückkaufspreis auszuschalten.

3. § 50c EStG 1987/1990 beinhaltet besondere Regelungen zur Vermeidung von Missbräuchen steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Durch diese wird die allgemeine abgabenrechtliche Missbrauchsvorschrift des § 42 AO 1977 nach Tatbestand und Rechtsfolgen verdrängt. Das gilt auch bei Geschäften "über die Börse" i.S. der sog. Börsenklausel in § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG 1987/1990 a.F.

Hintergrund: Der BFH hat die erste Grundsatzentscheidung zum sog. Dividendenstripping getroffen. Beim sog. Dividendenstripping mit nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten, zumeist ausländischen Anteilseignern von Kapitalgesellschaften geht es um unterschiedliche Gestaltungen, die darauf abzielen, den Gewinnanteil an einer Kapitalgesellschaft einschließlich des Anrechnungsguthabens vom ursprünglichen Anteilseigner auf den zur Anrechnung berechtigten inländischen Anteilserwerber rechtlich und steuerlich zu verlagern. Der Erwerber bezieht die Gewinnausschüttung, führt die Anrechnung durch und vergütet dem Übertragenden wirtschaftlich den Gegenwert des Gewinnanteils und des Anrechnungsguthabens. Dem stehen allerdings Kursverluste gegenüber, da der Erwerber die Aktien zu höheren Kursen vor dem Dividendentermin kauft und zu niedrigeren Kursen nach dem Ex-Tag wieder verkauft. Für den Inländer "lohnt" sich das Geschäft nur dann, wenn er diese Verluste steuerlich als Aufwand geltend machen kann. Durch die Regelungen in § 50c des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird ein solcher Abzug jedoch regelmäßig verhindert, es sei denn, die Aktien wurden über ein Kreditinstitut an der Börse erworben (sog. Börsenklausel; § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG a.F.).

Dem nun vom BFH entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin, eine Börsenmaklerin, hatte in den Streitjahren 1989 bis 1991 kurz vor dem jeweiligen Dividendenstichtag dividendenberechtigte Aktien über die Börse erworben und dann Aktien desselben Unternehmens ex Dividende an den ursprünglichen Verkäufer der Aktienpakete zurückveräußert. Außerdem hatte sie vor dem jeweiligen Dividendenstichtag in größerem Umfang dividendenberechtigte sog. Altaktien gekauft und im Regelfall am gleichen Tag nicht dividendenberechtigte sog. junge Aktien desselben Unternehmens an den jeweiligen Verkäufer zurückveräußert. Das Finanzamt versagte der Klägerin sowohl die steuerliche Berücksichtigung der Veräußerungsverluste als auch die beantragte Anrechnung der Körperschaftsteuer-Guthaben und der einbehaltenen Kapitalertragsteuer. Es beanstandete die Geschäfte als sog. Dividendenstripping, in dem es einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO) sah.

Der BFH hat entschieden, dass das wirtschaftliche Eigentum an veräußerten Aktien cum Dividende und damit auch die üblicherweise mit solchen Transaktionen verbundenen Kursrisiken unabhängig davon auf den Erwerber übergehen, ob diese Aktien unmittelbar nach dem jeweiligen Bezugstermin in Gestalt gleichwertiger Aktien ex Dividende oder junger Aktien durch separate Geschäfte zurückveräußert werden. Er hat weiter entschieden, dass es sich bei derartigen Geschäften auch dann um Börsengeschäfte i.S. von § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG a.F. handelt, wenn die Anonymität des Börsenhandels im Einzelfall nicht gewahrt ist. Und er hat schließlich entschieden, dass beim Dividendenstripping grundsätzlich kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO gegeben ist. § 50c EStG beinhaltet besondere Regelungen zur Vermeidung von Missbräuchen steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Durch diese wird die allgemeine abgabenrechtliche Missbrauchsvorschrift des § 42 AO nach Tatbestand und Rechtsfolgen verdrängt.

Die Entscheidung des BFH ist zur inzwischen geänderten Börsenklausel des § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG a.F. ergangen. Mit der ab dem Veranlagungszeitraum 1994 geltenden Neuregelung in § 50c Abs. 10 EStG ist die Börsenklausel erheblich eingeschränkt worden. Danach werden ausschüttungsbedingte Kursverluste auch aus Geschäften, die über die Börse abgewickelt werden, steuerlich nicht anerkannt, wenn (a) zwischen Kauf und Rückkauf nicht mindestens zehn Tage liegen, (b) andere Bedingungen das Kursrisiko begrenzen (z.B. Optionsgeschäfte) oder (c) im Gegenzug zum Kauf alter Aktien junge Aktien übertragen werden.

Wichtiger Hinweis: Die Finanzverwaltung hat auf das Urteil mit einem sog. Nichtanwendungserlass reagiert (BMF-Schreiben vom 06.10.2000. Aktenzeichen IV C 6 - S 2189 - 11/00).

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