Quelle: |
Finanzgericht Berlin |
Art des Dokuments: | Urteil |
Datum: | 22.02.2002 |
Aktenzeichen: | 3 K 3071/95 |
Schlagzeile: |
Kein Gestaltungsmissbrauch, wenn Ehegatten im Hinblick auf ihre Scheidung die getrennte Veranlagung beantragen
Schlagworte: |
Gestaltungsmissbrauch, Getrennte Veranlagung, Missbrauch, Scheidung, Vollstreckung, Wahlrecht
Wichtig für: |
Ehepaare
Kurzkommentar: |
Es liegt kein Gestaltungsmissbrauch vor, wenn Ehegatten wegen ihrer zwischenzeitlichen Scheidung den Wunsch haben, ihre steuerlichen Angelegenheiten unabhängig voneinander abzuwickeln und daher eine getrennte Veranlagung beantragen. Dies gilt auch dann, wenn dadurch Vollstreckungsmaßnahmen vereitelt werden.
Hintergrund: Bei der getrennten Veranlagung werden jedem Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte zugerechnet. Die als Sonderausgaben abzuziehenden Beträge werden bei dem Ehegatten berücksichtigt, der sie geleistet hat. Die zu berücksichtigenden außergewöhnlichen Belastungen werden bei jedem Ehegatten zur Hälfte abgezogen, sofern die Ehegatten nicht eine andere Aufteilung wählen. Der Besteuerung wird die Einkommensteuer-Grundtabelle zugrunde gelegt.
Die getrennte Veranlagung können nur Ehegatten wählen, die zusammen veranlagt werden. Im Urteilsfall war dies im Streitjahr der Fall. Später ließen sich die Ehegatten dann scheiden. Die Finanzrichter sahen in dem Antrag auf getrennte Veranlagung keinen Gestaltungsmissbrauch.
Das Urteil des Finanzgerichts ist nicht rechtskräftig. Unter dem Aktenzeichen III R 18/02 ist beim Bundesfinanzhof folgende Rechtsfrage anhängig:
Ist die geänderte Ausübung des Wahlrechts zur getrennten Veranlagung missbräuchlich, wenn die Ehegatten damit keinerlei steuerlichen Vorteile erlangen können, somit der alleinige Grund für die geänderte Wahl die Beseitigung der Voraussetzungen des § 278 Abs. 2 AO 1977 ist, um die Vollstreckung in das übertragene Vermögen zu vereiteln?
Aktuelle Ergänzung: Der Bundesfinanzhof hat die Revision mit Urteil vom 19.05.2004 (Aktenzeichen III R 18/02) zurückverwiesen. Aus prozessökonomischen Gründen stellte der BFH in seiner Entscheidung klar, dass ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 der Abgabenordnung (AO) voraussetzt, dass die gewählte Gestaltung nach den der jeweiligen steuerrechtlichen Vorschrift zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen der Steuerumgehung dienen soll. Hingegen ist für § 42 AO grundsätzlich kein Raum, wenn der Steuerpflichtige einen vom Steuergesetz vorgezeichneten Weg wählt. Ein Antrag auf getrennte Veranlagung stellt daher grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch dar.