Quelle: |
Finanzgericht des Saarlandes |
Art des Dokuments: | Urteil |
Datum: | 24.09.2003 |
Aktenzeichen: | 1 K 318/01 |
Schlagzeile: |
Nachweis der medizinischen Notwendigkeit von Krankheitskosten durch nachträgliches amtsärztliches Attest möglich
Schlagworte: |
Amtsarzt, Außergewöhnliche Belastung, Beweiswürdigung, Legasthenie, Mitwirkung, Nachweis
Wichtig für: |
Alle Steuerzahler
Kurzkommentar: |
Die medizinische Notwendigkeit von Krankheitskosten ist nicht zwingend durch ein vor Beginn der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Attest nachzuweisen. Ausnahmsweise reicht auch eine nachträglich – unter „Einbeziehung der bereits vorhandenen Unterlagen“ – erstellte amtsärztliche Bescheinigung aus.
Hintergrund: Die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verlangt wegen der Schwierigkeit, die medizinische Indikation von Maßnahmen zu beurteilen, die ihrer Art nach nicht stets und eindeutig allein der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können, grundsätzlich ein vor Beginn der betreffenden Maßnahme ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, aus welchem sich die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme klar ergibt. Im Streitfall machten Eltern ihre selbst getragenen Kosten für die Behandlung einer Lernbehinderung durch eine Lese- und Rechtschreibestörung (Legasthenie oder Dyslexie) als außergewöhnliche Belastung geltend. Sie legten eine amtsärztliche Bescheinigung vor, die nachträglich unter „Einbeziehung der bereits vorhandenen Unterlagen“ erstellt worden war.
Das Finanzgericht akzeptierte dies als ausreichenden Nachweis. Die Münsteraner übten offen Kritik an den der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Es sei nicht vertretbar, generell die Vorlage eines vor Beginns der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Attest zu verlangen.
Werde von neutraler Seite, nämlich durch den zuständigen Amtsarzt, das Vorliegen einer Krankheit bescheinigt und die Behandlung selbst von einem medizinisch-therapeutisch ausgerichteten Team vollzogen, sei nicht zweifelhaft, dass bereits vor Erstellung der amtsärztlichen Bescheinigung Krankheitskosten vorgelegen haben.
Das Urteil des Finanzgerichts ist nicht rechtskräftig. Unter dem Aktenzeichen III R 64/03 ist beim Bundesfinanzhof folgende Rechtsfrage anhängig: Aufwendungen für Diagnose und Behandlung der Tochter wegen Legasthenie auch bei nachträglich erstelltem amtsärztlichen Attest als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig? Widerspricht die vom Bundesfinanzhof praktizierte Rechtsprechung dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung durch die Tatsacheninstanz?