Quelle: |
Oberlandesgericht Braunschweig |
Art des Dokuments: | Beschluss |
Datum: | 05.07.2006 |
Aktenzeichen: | Ss 81/05 |
Schlagzeile: |
Anthropologische Vergleichsgutachten, Beweiswürdigung.
Schlagworte: |
Anthropologisch, Beweiswürdigung, Vergleichsgutachten
Wichtig für: |
Kurzkommentar: |
Zur Beurteilung der Aussagekraft eines anthropologischen Vergleichsgutachtens:
1. Im Gutachten (und in den Urteilsgründen) ist offen zu legen, inwieweit die Häufigkeit eines einzelnen Merkmals in der Bevölkerung durch eine kon-krete Wahrscheinlichkeitszahl angegeben werden kann oder ob es sich nur um mehr oder weniger genaue Anhaltswerte handelt, die den Beweiswert der Wahrscheinlichkeitsaussage relativieren.
2. Zwar erfolgt die Berechnung der Gesamtwahrscheinlichkeit bei der Zu-sammenfassung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens der einzelnen festge-stellten übereinstimmenden Merkmale nach dem Multiplikationssatz der Wahrscheinlichkeitslehre; dies gilt jedoch nur bei unkorrelierten, also von-einander unabhängig variierenden Merkmalen, nicht aber bei Merkmalen, die gehäuft kombiniert miteinander vorkommen.
3. Selbst wenn ein Gutachter zu einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit der Tä-teridentität gelangt, reicht dies allein zur Identifizierung nicht aus; vielmehr müssen zur Überzeugung des Gerichts von der Täterschaft noch weitere In-dizien hinzutreten.
4. Wird z.B. durch die Ausstrahlung der Vergleichsbilder im Fernsehen oder durch sonstige Publikationen von vornherein eine Vorauswahl von beson-ders ähnlich aussehenden Personen aus der Gesamtbevölkerung getroffen, so sind die (auf dem Zufallsprinzip beruhenden) allgemeinen Wahrschein-lichkeitsregeln nicht mehr anwendbar.