Willkommen
Aktuelle Urteile
Suche nach
Steuer-Urteile
Aktuelle
BMF-Schreiben
Suche nach Gericht
Festgeldrechner
Tagesgeldrechner
Hypothekenrechner
Impressum
Nutzungsbedingungen




Quelle:

Bundesfinanzhof
Art des Dokuments: Beschluss
Datum: 07.12.2010
Aktenzeichen: IX R 70/07

Vorinstanz:

FG Nürnberg
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 27.09.2007
Aktenzeichen: IV 80/2006

Schlagzeile:

Rückwirkende Verschärfung bei im Voraus geleisteten Erbbauzinsen ist verfassungswidrig

Schlagworte:

Anschaffungskosten, Erbbaurecht, Erbbauzins, Nutzungsentgelt, Richtlinien-Umsetzungsgesetz, Rückwirkung, Verfassungsmäßigkeit, Vermietung, Verteilung, Vertrauensschutz, Werbungskosten

Wichtig für:

Vermieter

Kurzkommentar:

Zur verfassungsrechtlich unzulässigen rückwirkenden Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG – bei im Voraus geleisteten Erbbauzinsen (§ 52 Abs. 30 Satz 1 EStG)

Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – darüber eingeholt, ob § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310) gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstößt, soweit danach im Voraus gezahlte Erbbauzinsen auch dann auf den Zeitraum zu verteilen sind, für den sie geleistet werden, wenn sie im Jahr 2004, aber noch vor der Einbringung der Neuregelung in den Deutschen Bundestag am 27. Oktober 2004 verbindlich vereinbart und gezahlt wurden.

Hintergrund: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat das Bundesverfassungsgericht angerufen, weil er die rückwirkende Einführung einer Regelung über die Aufteilung von in einem Einmalbetrag geleisteten Erbbauzinsen auf die Laufzeit des Erbbaurechts für verfassungswidrig hält.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes vom 9. Dezember 2004 sind Ausgaben, die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet werden, auf den Zeitraum zu verteilen, für den sie geleistet werden. Diese Vorschrift ist nach § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG im Hinblick auf Erbbauzinsen erstmals für Vorauszahlungen nach dem 31. Dezember 2003 anzuwenden.

Nach Auffassung des BFH ist diese Neuregelung mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes insoweit unvereinbar, als danach im Voraus gezahlte Erbbauzinsen auch dann auf den Zeitraum des Erbbaurechts zu verteilen sind, wenn sie im Jahr 2004, aber noch vor Einbringung der Neuregelung in den Deutschen Bundestag am 27. Oktober 2004 verbindlich vereinbart und gezahlt wurden.

Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige im August 2004 einen Miterbbaurechtsanteil an einem Erbbaurecht, verbunden mit dem Sondereigentum an einer vermieteten Eigentumswohnung erworben. Er sollte zusammen mit dem Kaufpreis 36.350 € zahlen, um die Erbbauzinsansprüche für die Gesamtlaufzeit des Erbbaurechts abzugelten und tat dies im September 2004. Sein Begehren, die 36.350 € als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen, hatte – wegen § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG – beim Finanzamt und Finanzgericht keinen Erfolg.

Der BFH hält das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die im August/September 2004 geltende Rechtslage für schutzwürdig. Danach sind Erbbauzinsen Nutzungsentgelt und nicht Anschaffungskosten des Rechts. Das dazu in Widerspruch stehende Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 10. Dezember 1996 hatte der BFH in einem Urteil vom 23. September 2003 zurückgewiesen. Da das Gesetz damals keine Verteilung auf die Zeit der Nutzung vorsah, waren die im Voraus gezahlten Erbbauzinsen sofort als Werbungskosten abziehbar. Auch wenn die Finanzverwaltung das BFH-Urteil (durch Nichtveröffentlichen) nicht anwandte, konnte sie das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die ständige Rechtsprechung und eindeutige Gesetzeslage nicht beeinträchtigt: Der BFH entscheidet abschließend darüber, wie Steuerrecht richtig anzuwenden ist. Dieser Kernbereich seiner Funktion in einer ausbalancierten Gewaltendifferenzierung würde in Frage gestellt, könnte die Finanzverwaltung dadurch, dass sie ein ihr missliebiges Urteil nicht veröffentlicht, Vertrauen des Bürgers von vornherein nicht entstehen lassen.

Das Vertrauen des Bürgers ist durch die Rückwirkung mithin enttäuscht. Da sich die (unechte) Rückwirkung auch nicht durch die vom Gesetzgeber genannten Gründe, Mehreinkünfte zu erzielen, hinreichend rechtfertigen lässt, ist sie mit dem grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutz unvereinbar und deshalb nach Auffassung des vorlegenden Senats verfassungswidrig.

zur Suche nach Steuer-Urteilen