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Quelle:

Bundesfinanzhof
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 15.01.2015
Aktenzeichen: I R 69/12

Vorinstanz:

FG Köln
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 27.08.2012
Aktenzeichen: 2 K 2241/02

Schlagzeile:

Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer

Schlagworte:

Abrechnungsbescheid, Anrechnung, Anrechnungsverfahren, Diskriminierungsverbot, Körperschaftsteuer, Meilicke, Nachweis, Rechtliches Gehör, Schätzung, Unionsrecht

Wichtig für:

Kapitalanleger

Kurzkommentar:

Schlussurteil zu den EuGH-Urteilen Meilicke I und Meilicke II:
- Anrechnung niederländischer und dänischer Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer
- Folgen der Unionsrechtswidrigkeit einer nationalen Vorschrift
- Behördliche Erklärung als Abrechnungsbescheid
- Erfolglos durchgeführtes Vorverfahren bei unvollständiger Rechtsbehelfsentscheidung
- Absehen von einer Begründung nach § 126 Abs. 6 Satz 1 FGO bei gerügter Gehörsverletzung

1. Die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft wird nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1990 n.F./1997 nicht angerechnet, wenn die Einnahmen oder die anrechenbare Körperschaftsteuer bei der Veranlagung nicht erfasst werden. Dass die Anrechnungsbeschränkung auf unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Körperschaften gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit verstößt (Anschluss an EuGH-Urteil Meilicke I vom 6. März 2007 C 292/04, EU:C:2007:132, Slg. 2007, I 1835), ändert daran nichts. Anders verhielt es sich bezogen auf die anrechenbare Körperschaftsteuer allerdings nach Maßgabe von § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1990 a.F. für Veranlagungszeit-räume bis 1995 (insoweit Bestätigung des Senatsurteils vom 6. Oktober 1993 I R 101/92, BFHE 172, 370, BStBl II 1994, 191).

2. Um den unionsrechtlichen Anforderungen standzuhalten, muss bei der Berechnung des Anrechnungsbetrages die von der im Sitzmitgliedstaat der ausschüttenden Kapitalgesellschaft tatsächlich entrichtete Steuer berücksichtigt werden, wie sie sich aus den auf die Berechnung der Besteuerungsgrundlagen anwendbaren allgemeinen Regeln und aus dem Satz der Körperschaftsteuer im Sitzmitgliedstaat ergibt. Die tatsächliche Entrichtung der Körperschaftsteuer ist jedoch nicht Anrechnungsvoraussetzung. Die maßgebliche ausländische (hier dänische und niederländische) Körperschaftsteuer ist aus Gründen der unionsrechtlich einzufordernden Gleichbehandlung mit einem Inlandssachverhalt einem vom Anteilseigner vereinnahmten Beteiligungsertrag im grenzüberschreitenden Sachverhalt vielmehr nach den steuerlichen Grundsätzen einer "Verwendungsfiktion" zuzuordnen, und zwar unabhängig davon, ob es im Ausland an einer Verpflichtung zur Eigenkapitalgliederung fehlt.

3. Für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer bedarf es einerseits keiner "Schatten-Eigenkapitalgliederung". Andererseits genügt aber auch die Vorlage einer "nur-formellen" Körperschaftsteuerbescheinigung der depotführenden Bank nicht, wenn dadurch der materiell-rechtliche Anrechnungsbetrag nicht definitiv belegt wird (Anschluss an das EuGH-Urteil Meilicke II vom 30. Juni 2011 C 262/09, EU:C:2011:438,Slg. 2011, I 5669).

4. Fehlt ein Nachweis der tatsächlich entrichteten Körperschaftsteuer, kann die Berechnung der Körperschaftsteuergut-schrift nicht auf eine bloße Schätzung des einschlägigen Steuersatzes gestützt werden.

EStG 1990 i.d.F. bis zur Änderung durch das JStG 1996 § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1
EStG 1990 i.d.F. des JStG 1996/EStG 1997 § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
KStG 1991 § 44, § 45
EG Art. 56 (= AEUV Art. 63)
AO § 218 Abs. 2

Hintergrund: Der I. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat abschließend darüber entschieden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Körperschaftsteuer, die im Ausland gegen dort ansässige Kapitalgesellschaften festgesetzt worden ist, im Inland auf die Einkommensteuer der hier ansässigen Anteilseigner dieser Gesellschaften angerechnet werden kann. Vorangegangen war dem ein langjähriger Rechtsstreit, in welchem vorab gleich zweimal der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) durch dessen sog. „Meilicke“-Urteile vom 6. März 2007 C-292/04 und vom 30. Juni 2011 C-262/09 zu Wort gekommen ist.

Konkret ging es um die Körperschaftsteuer, die in Dänemark und den Niederlanden gegen dortige Kapitalgesellschaften festgesetzt worden waren. An den Kapitalgesellschaften waren die in Deutschland wohnenden Kläger - Mitglieder der Erbengemeinschaft Meilicke - beteiligt. Die Kapitalgesellschaften hatten ihre Gewinne an die Gesellschafter ausgeschüttet. Die Kläger begehrten nun nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuern auf ihre individuelle Einkommensteuer. Das stand ihnen nach seinerzeitiger Gesetzeslage in den Streitjahren 1995 bis 1997 nach Maßgabe des sog. körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens jedoch nicht zu; anzurechnen war danach allein die Körperschaftsteuer, die gegen inländische Kapitalgesellschaften festgesetzt worden war. Der EuGH sah in der unterschiedlichen Behandlung einen Verstoß gegen die unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote. Er verlangte die Gleichbehandlung der Anteilseigner an in- wie ausländischen Kapitalgesellschaften.

Diesem Verlangen nach Gleichbehandlung hat der BFH nun unter Anwendung der an sich nicht "passenden" Gesetzeslage Rechnung getragen; im Ergebnis aber dennoch zu Lasten der klagenden Gesellschafter entschieden: Zum einen ist - in einem ersten Schritt - die anzurechnende ausländische Körperschaftsteuer (seit 1996) nicht anders als die inländische Körperschaftsteuer bei der Einkommensteuerfestsetzung als Einkunft zu erfassen; die Einkommensteuer erhöht sich dem entsprechend. Zum anderen sind - in einem zweiten Schritt - für die Anrechnung dieselben Maßstäbe anzusetzen wie in der "reinen" Inlandssituation. Das bedeutet vor allem: Der Anrechnungsbetrag bestimmt sich danach, in welcher Höhe die Gewinne der ausländischen Kapitalgesellschaft nach deutschem Recht mit Körperschaftsteuer vorbelastet sind. Der so ermittelte Anrechnungsbetrag muss sodann in substantieller Weise gegenüber den deutschen Finanzbehörden nachgewiesen werden. Dafür reicht es nicht aus, eine (ausländische) Bankbescheinigung über die tatsächliche Zahlung von Körperschaftsteuer vorzulegen. Es reicht ebensowenig aus, jene Körperschaftsteuer grob zu schätzen. Die Verwendungsfiktion ist vielmehr in allen ihren Belastungsschritten, wenn auch mit gewissen, vom BFH zugestandenen Erleichterungen, nachzuvollziehen und zu belegen.

Ein solcher Nachweis war den Klägern im Streitfall aber nicht gelungen. Ihre Klage war (auch) deswegen abzuweisen. Ihr ursprünglicher Erfolg vor dem EuGH wurde im Ergebnis also nicht belohnt.

Die Entscheidung des BFH betrifft das besagte, seit langem (im Jahre 2001) abgeschaffte körperschaftsteuerrechtliche Anrechnungsverfahren. Allerdings ist dieses Verfahren für den Haushalt nach wie vor von großer Bedeutung. Viele Steuerbescheide sind noch „offen“, weil die Anteilseigner den Abschluss des Klageverfahrens „Meilicke“ abgewartet haben. Und nach Verlautbarungen des Bundesministeriums der Finanzen geht es dabei um drohende Steuerausfälle aus den Altfällen in Milliardenhöhe. Zuletzt war in den Verfahren vor dem EuGH von 5 Milliarden Euro die Rede.

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