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Quelle:

Bundesfinanzhof
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 19.01.2017
Aktenzeichen: VI R 75/14

Vorinstanz:

FG Baden-Württemberg
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 24.11.2014
Aktenzeichen: 10 K 798/14

Schlagzeile:

Stufenweise Ermittlung der zumutbaren Belastung bei außergewöhnlichen Belastungen

Schlagworte:

Altersvorsorge, Altersvorsorgeaufwendungen, Außergewöhnliche Belastungen, Bemessungsgrundlage, berufsständische Versorgungseinrichtung, Gesamtbetrag der Einkünfte, Krankheitskosten, Sonderausgaben, Zumutbare Belastung

Wichtig für:

Alle Steuerzahler

Kurzkommentar:

Ermittlung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG - Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben

1. Abweichend von der bisherigen (durch die Rechtsprechung gebilligten) Verwaltungsauffassung, wonach sich die Höhe der zumutbaren Belastung ausschließlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet, ist die Regelung so zu verstehen, dass nur der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Grenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet wird.

2. Der Gesamtbetrag der Einkünfte als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Belastung ist nicht um Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung zu kürzen. Insbesondere ist die Anknüpfung der Bemessungsgrundlage an den Gesamtbetrag der Einkünfte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

GG Art. 3 Abs. 1
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 33 Abs. 1 und Abs. 3

Hintergrund: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Steuerpflichtige sog. außergewöhnliche Belastungen (z.B. Krankheitskosten) weitergehend als bisher steuerlich geltend machen können.

Der Abzug außergewöhnlicher Belastungen ist nach § 33 Abs. 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur möglich, wenn der Steuerpflichtige mit überdurchschnittlich hohen Aufwendungen belastet ist. Eine Zumutbarkeitsgrenze („zumutbare Belastung“) wird in drei Stufen (Stufe 1 bis 15.340 €, Stufe 2 bis 51.130 €, Stufe 3 über 51.130 €) nach einem bestimmten Prozentsatz des Gesamtbetrags der Einkünfte (abhängig von Familienstand und Kinderzahl) bemessen (1 bis 7 %). Der Prozentsatz beträgt z.B. bei zusammenveranlagten Ehegatten mit einem oder zwei Kindern 2 % (Stufe 1), 3 % (Stufe 2) und 4 % (Stufe 3).

Nach dem Urteil des BFH wird jetzt nur noch der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Stufengrenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet. Danach erfasst z.B. der Prozentsatz für Stufe 3 nur den 51.130 € übersteigenden Teilbetrag der Einkünfte. Bislang gingen demgegenüber Finanzverwaltung und Rechtsprechung davon aus, dass sich die Höhe der zumutbaren Belastung einheitlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet. Danach war der höhere Prozentsatz auf den Gesamtbetrag aller Einkünfte anzuwenden.

Im Streitfall hatte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung Krankheitskosten in Höhe von 4.148 € als außergewöhnliche Belastungen erklärt. Da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Eheleute über 51.130 € lag, berechnete das Finanzamt (FA) die zumutbare Belastung unter Anwendung des in der Situation des Klägers höchstmöglichen Prozentsatzes von 4 %. Die Krankheitskosten der Eheleute wirkten sich nach dem Abzug der zumutbaren Belastung nur noch mit 2.069 € steuermindernd aus.

Der BFH gab dem Kläger insoweit Recht, als er die vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung neu ermittelte. Bei der nun gestuften Ermittlung (im Streitfall 2 % bis 15.340 €, 3 % bis 51.130 € und 4 % erst in Bezug auf den die Grenze von 51.130 € übersteigenden Teil der Einkünfte) erhöhten sich die zu berücksichtigenden Krankheitskosten um 664 €. Maßgebend für die Entscheidung des BFH waren insbesondere der Wortlaut der Vorschrift, der für die Frage der Anwendung eines bestimmten Prozentsatzes gerade nicht auf den „gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte“ abstellt, sowie die Vermeidung von Härten, die bei der Berechnung durch die Finanzverwaltung entstehen konnten, wenn eine vorgesehene Stufe nur geringfügig überschritten wurde.

Das Urteil des BFH betrifft zwar nur den Abzug außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 EStG, ist aber im Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht auf die Geltendmachung von Krankheitskosten beschränkt. Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung, da Steuerpflichtige nun in der Regel früher und in größerem Umfang durch ihnen entstandene außergewöhnliche Belastungen steuerlich entlastet werden.

Beim Bundesverfassungsgericht ist unter dem Aktenzeichen 2 BvR 1205/17 eine Verfassungsbeschwerde anhängig.

In der offiziellen Datenbank des BFH sind folgende Informationen hierzu gespeichert:
BVerfG Anhängiges Verfahren, 2 BvR 1205/17 (Aufnahme in die Datenbank am 5.9.2017)
Ermittlung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG - Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben
-- Verfassungsbeschwerde --
GG Art 3 Abs 1; EStG § 10 Abs 1 Nr 2 Buchst a; EStG § 33 Abs 1; EStG § 33 Abs 3
Vorgehend: BFH , Urteil vom 19.1.2017 (VI R 75/14)

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