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Quelle:

Bundesfinanzhof
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 10.05.2023
Aktenzeichen: II R 24/21

Vorinstanz:

FG Münster
Art des Dokuments: Urteil
Datum: 17.06.2021
Aktenzeichen: 8 K 364/21 GrE

Schlagzeile:

Grunderwerbsteuer bei Zusammenlegung und Neuerrichtung von Kirchengemeinden

Schlagworte:

Anteilsvereinigung, Freigebige Zuwendung, Grunderwerbsteuer, Kirche, Kirchengemeinde, Schenkungsteuer, Steuerbefreiung

Wichtig für:

Steuerberater

Kurzkommentar:

1. Hat das Finanzamt aufgrund irriger Beurteilung des Sachverhalts in einem Feststellungsbescheid den Zeitpunkt des grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgangs fehlerhaft angegeben und wurde der Feststellungsbescheid deshalb in der Folge wegen Rechtswidrigkeit gerichtlich aufgehoben, kann es nach § 174 Abs. 4 Satz 1 und 3 der Abgabenordnung in einem weiteren Feststellungsbescheid die richtigen steuerlichen Folgerungen aus der Aufhebung innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des Feststellungsbescheides ziehen.

2. Führt die Errichtung einer neuen Kirchengemeinde durch Vereinigung anderer Kirchengemeinden dazu, dass sich unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % (heute: 90 %) der Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften bei der neu errichteten Kirchengemeinde vereinigen, unterliegt diese Anteilsvereinigung zu dem Zeitpunkt nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer, an dem die staatliche Anerkennung wirksam erteilt wird.

3. Die Besteuerung der Vereinigung von mindestens 95 % von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG als Folge der staatlich anerkannten Bildung oder Veränderung von Kirchengemeinden verstößt nicht gegen das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 des Grundgesetzes GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 der Verfassung des Deutschen Reichs WRV ) und auch nicht gegen die verfassungsrechtlich garantierte Kirchengutsgarantie (Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 2 WRV).

4. Erhält im Zuge der Vereinigung von Kirchengemeinden die neu errichtete Kirchengemeinde Vermögenswerte, liegt keine freigebige Zuwendung der Gesellschaftsanteile von den aufgelösten Kirchengemeinden an die neu errichtete Kirchengemeinde im Sinne der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG vor.

5. § 4 Nr. 1 GrEStG ist nur auf den Erwerb von Grundstücken, nicht auf Anteilsvereinigungen anzuwenden.

Hintergrund: Entsteht durch die Zusammenlegung von mehreren Kirchengemeinden eine neue Kirchengemeinde, wird hierdurch Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn die ursprünglichen Kirchengemeinden Anteile an grundbesitzenden GmbHs hielten und diese GmbH-Beteiligungen nach der Zusammenlegung sich alle in der Hand der neu errichteten Kirchengemeinde befinden. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass dies auch dann gilt, wenn die grundbesitzenden GmbHs caritative Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Altenheime betreiben.

Die Klägerin, eine Kirchengemeinde mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, wurde aufgrund Dekrets des zuständigen Bischofs durch die Vereinigung verschiedener Kirchengemeinden errichtet. Die vereinigten Kirchengemeinden waren ebenfalls Körperschaften des öffentlichen Rechts. Das gesamte Vermögen der ursprünglichen Kirchengemeinden einschließlich der Beteiligungen an den grundbesitzenden GmbHs wurde der Klägerin zugeführt. Das Finanzamt (FA) hielt diesen Vorgang für grunderwerbsteuerbar und erließ einen entsprechenden Feststellungsbescheid über die Besteuerungsgrundlagen.

Der BFH bestätigte die Auffassung des FA. Er führte aus, dass die Neuerrichtung der Klägerin durch Zusammenlegung verschiedener Kirchengemeinden in dem Augenblick der Grunderwerbsteuer unterliege, in dem die Zusammenlegung für den staatlichen Bereich wirksam werde. Dem stehe nicht entgegen, dass die Umstrukturierung der Kirchengemeinden zunächst nach rein innerkirchlichem Recht – sozusagen kirchenintern – erfolgt sei. Ab dem Zeitpunkt, in dem die Zusammenlegung für den staatlichen Bereich anerkannt werde, habe die Klägerin den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der Folge erlangt, dass sie grunderwerbsteuerpflichtig werde. Dem stehe weder das kirchliche Selbstbestimmungsrecht noch die sogenannte Kirchengutsgarantie im Hinblick auf das für Wohltätigkeitszwecke bestimmte Vermögen entgegen. Denn dieses Recht bzw. diese Garantie bestünden nur innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Eine solche Schranke sei die Grunderwerbsteuer; letztere sei daher auch von der Kirche zu entrichten.

Der BFH entschied schließlich, dass auch kein grunderwerbsteuerrechtlicher Befreiungstatbestand bei einer Zusammenlegung von Kirchengemeinden eingreift. So könne ein Vorgang zwar von der Grunderwerbsteuer befreit sein, wenn er gleichzeitig eine Schenkung darstelle, wodurch eine Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Schenkungsteuer vermieden werden solle. Dies sei aber bei der Neuerrichtung einer Kirchengemeinde durch Zusammenlegung von Kirchengemeinden nicht der Fall, weil die aufgelösten Kirchengemeinden der Klägerin nichts geschenkt hätten, sondern der Vermögensübergang auf die Klägerin in Vollzug von innerkirchlichen Gesetzen erfolgt sei. Der bei Übergang eines Grundstücks durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts auf eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei gleichzeitigem Übergang von öffentlich-rechtlichen Aufgaben, wie z.B. der Erfüllung caritativer Zwecke, vorgesehene Befreiungstatbestand, sei ebenfalls nicht einschlägig. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut erfasse dieser Tatbestand nur den direkten Übergang eines Grundstücks von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts auf eine andere, nicht aber die Vereinigung von Anteilen an grundbesitzenden GmbHs.

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 17.06.2021 - 8 K 364/21 GrE wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

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